Die Partnerschaft zwischen den drei Wittlager Gemeinden und der Stadt Bolbec
Die Anfänge einer deutsch-französischen Partnerschaft – das Wittlager DRK und das Jugendrotkreuz leisteten Aufbauhilfe
Anlässlich eines Partnerschaftsbesuches in Bolbec im September 2022 trafen wir auf Jean-Pierre Blondel, der während der Corona-Pandemie im nur kleinen Teilnehmerkreis in der deutschen Botschaft in Paris die Ehrenmedaille der Bundesrepublik Deutschland für seine Verdienste um die Völkerverständigung durch den Botschafter verliehen bekam.
Das Schicksal wollte es wohl, dass Joan-Pierre zum Initiator der jetzt über 50 Jahre währenden Partnerschaft zwischen Franzosen und Deutschen, zwischen Bolbec in der Normandie und dem „Wittlager Land“ im Bundesland Niedersachsen wurde. Sein Vater war als französischer Kriegsgefangener nach Wittlage verbracht worden; er lernte hier die Schwester vom damaligen Frisörmeister Gregor Popp kennen, der anfangs seinen Frisörsalon in einem Fachwerkhaus neben der damaligen Gaststätte Becker hatte und der später ein neues Geschäftshaus vor dem Burgtor errichtete. Seine Mutter war folglich deutscher Abstammung und sein Vater französischer Abstammung. Als Kind verbrachte Jean-Pierre viele Ferien bei seinem Onkel in Wittlage, lernte das Dorf und die Umgebung sowie Sprache und Kultur kennen. Deutsche waren nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich nicht gern gesehen. Die Nazi-Diktatur hatte Frankreich zeitweise besetzt und es gab den mutigen französischen Widerstand (Resistance), der im Untergrund gegen die verhassten Besatzer kämpfte. Auf einen Sabotage-Akt gab es manchmal brutale Vergeltungsmaßnahmen.
Christine Vimont erinnert sich an die Erzählungen ihrer Eltern, die die Besatzer im kindlichen Alter von fünf bis 10 Jahren erlebten. Die Soldaten der Wehrmacht hätten sich den Kindern gegenüber freundlich verhalten, auch mal Schokolade verteilt. Gefürchtet waren die SS-Kräfte und militärische Führungskräfte, die ihre Dominanz an der Zivilbevölkerung durch Schikane ausließen.
Der Erste Weltkrieg hatte auch seine grausamen Spuren auf den Schlachtfeldern mit vielen Toten Soldaten und Zivilisten hinterlassen und schließlich noch weiter zurück in der Geschichte der deutsch-französische Krieg von 1870/71.
Deutschland wurde nach 1945 zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild transformiert und das Grundgesetz verbietet bis heute strikt einen Angriffskrieg, nur die Verteidigung des eigenen wie des NATO-Territoriums ist der Bundeswehr erlaubt.
Die Popp-Familie kam aus den deutschen Ostgebieten am Ende des Zweiten Weltkrieges als Flüchtlinge oder Vertriebene in das Wittlager Land, das ihre Heimat zukünftig wurde. Greger Popp sprach sehr gut polnisch, weil er im damaligen Grenzgebiet aufgewachsen war und die Polen für ihn respektierte Nachbarn waren.
Jean-Pierre bekam von seiner deutschen Mutter die Grundzüge der deutschen Sprache und Kultur vermittelt, während sie selbst die Integration in die französische Kultur und Gesellschaft anstrebte.
1966 war es dann Jean-Pierre Blondel, der mit seiner deutschen Verwandtschaft und auf Wittlager Seite Hans-Eberhard Dreinhöfer, DRK-Kreisgeschäftsführer und Lehrer Harald Pingel den ersten Jugendaustausch in Bolbec organisierte. Günter Harmeyer, später Bürgermeister von Bad Essen, nahm als Schüler an diesem Zeltlager des Jugendrotkreuzes teil. Ältere Franzosen, die das von der deutschen Besatzungsmacht erlittene Unrecht nicht so schnell vergessen konnten, waren sehr skeptisch, wie sich die jungen Deutschen benehmen würden. Sie, die damals jungen Menschen, gewannen die Herzen der Franzosen und bereits ein Jahr später war eine Jugendgruppe aus Bolbec in das Wittlager Land gereist. Aus diesen Anfängen entstand die offizielle Jumelage, die Partnerschaft, in schriftlichen Urkunden und Erklärungen für ewig besiegelt. Aus einstiger Feindschaft wuchs Freundschaft. Die Zeitzeugen für die Begründung der Partnerschaft, die Mütter und Väter dieser einmaligen Freundschaft über nationale Grenzen hinweg werden weniger.
Im Erfahrungsaustausch wurde festgestellt, dass es „hier wie drüben“ ein ähnliches Problem gibt. Im Ehrenamt sieht man überwiegend ältere Personen, die die Partnerschaft mit Leben ausfüllen und die die Arbeiten zuverlässig abwickeln. In Bolbec gelang es das Organisationsteam für den Semi-Marathon zu verjüngen und Labine Daniel verstand es ein neues Team zu formen. Die Partnerschaft soll und muss eine Zukunft haben – deshalb ist es wichtig, Nachwuchskräfte zu gewinnen, die sich dauerhaft ehrenamtlich einsetzen.
Grüsse wurden an den Kreisvorstand des Wittlager DRK mitgegeben, besonders an den DRK-Präsidenten Rainer Ellermann und an Fredi Baptist und Frau, die sich viele Jahrzehnte um die Begegnungen mit DRK-Delegationen zwischen beiden Ländern bemüht haben.
Text und Fotos: Eckhard Grönemeyer